Nara

Freitag heißt Ausflugstag: morgens um 9 war Treffpunkt an der Doshisha. Wir sind mit einem Nahverkehrszug quer über die Dörfer nach Nara gefahren.

Für die nicht Japan-bewanderten ein kurzer Exkurs: Nara war von 710 bis 784 die Hauptstadt Japans. Sie war der erste ständige Sitz des Tennos. Die Stadt wurde nach Chinesischem Vorbild gebaut, in Blöcken mit großen von Norden nach Süden und von Westen nach Osten verlaufenden Straßen (so wie später Kyoto auch). Die gesamte Stadt war ungefähr 4,8 km mal 4,3 km groß. Die wichtigsten Sehenwürdigkeiten stammen aus der Nara-Zeit, oder haben dort zumindest ihren Ursprung. Vieles ist jedoch zerstört, weil die Stadt nach ihrer Aufgabe als Regierungssitz an Bedeutung verloren hat. So ist zum Beispiel der alte Kaiserpalast bis auf einige unterirdische Reste vollständig zerstört bzw. verfallen.

RehKofukujiWir kamen mit der Kintetsu-Nara-Linie an, wodurch wir schon praktisch im Nara-Park waren, dem riesigen Area, in dem die meisten der Sehenswürdigkeiten Naras zu finden sind. Kurz hinterm Bahnhof begenetten uns schon die ersten Vertreter des Wahrzeichens Nara: Rehe. Mitten in der Stadt. Direkt neben der Straße. Total irre. Am Anfang findet man sie noch total schnuffig, eben weil sie so zahm sind. Lassen sich füttern und streicheln und dösen in der Sonne rum. Aber mit der Zeit merkt man auch, dass sie ganz schön lästig sein können 😉 Auf jeden Fall gelten sie in Nara als heilig. Wenn ich mir das nicht falsch gemerkt habe soll ein Schutzgott der Familie Fujiwara auf einem Hirsch in Nara erschienen sein, weswegen diese Tier hier heilig sind und vor allem vorrang haben.

Unsere erste Etappe führte uns zum Kofukuji, einer der Haupttempel der Hosso-Sekte. Dort kann man unter anderem die Sanjunoto, eine drei-stöckige Pagode und die Gojunoto, eine fünf-stöckige Pagode sehen. Letztere is mit über 50 Metern Höhe die zweitgrößte Pagode Japans.

TodaijiDaibutsuWeiter ging es zum Todaiji, eines von 6 UNESCO Weltkulturerben Naras. Dieser Tempel beherbergt die größte umbaute Buddhafigur (Daibutsu) Japans. Die Bronze-Figur ist knapp 16 Meter hoch, und wiegt etwa 25 Tonnen. Um ihn herum sind kleine Buddhafiguren angeordnet, die unterschiedlich groß sind, von unten jedoch alle gleich groß aussehen. Das Gebäude wurde zweimal durch Brände zerstört. Das heutige Gebäude ist ein drittel kleiner als die ursprüngliche Version, ist aber dennoch das größte rein aus Holz gebaute Gebäude der Welt. Alles ziemlich beeindruckend 🙂 Im hintereren Teil der Halle ist eine Holzsäule, die ein großes Loch im Fuß hat. Das „Nasenloch des Buddhas“. Es soll Glück bringen, wenn man durch passt 😉 Da glücklicherweise nicht viel los war haben sich die meisten aus unserem Kurs mal daran versucht – die Fotos sind recht lustig geworden *g*

NasenlochShoroWeiter ging es zu einer riesiegen Bronzenen Glocke (Shoro) und zur Halle des Februars und der Halle des Märzens (Nigatsu-do und Sangatsu-do), von wo aus man einen tollen Blick über die Stadt hat. Ein Stück weiter haben wir dann endlich Mittagspause mit unseren mitgebrachen O-Bentos gemacht. Schön unter Kirschblüten, auf Steinterrassen mit Blick auf die Rehe. Mhja, wenn es bei dem Blick geblieben wäre 😉 Leider sind die Viecher doch sehr dreist, wenn es um Nahrung geht. Eins war besonders hartnäckig. Das hatte sich anscheinend in meine Box verliebt. Wegdrücken half nicht, anmaulen auch nicht (egal ob auf Deutsch oder Japanisch 😉 und auch sonst ließ es sich von nichts beeindrucken. Diese Tierchen haben verdammt viel Kraft im Hals… Keine Chance sie weg zu drücken. Schwupp die Wupp habe ich eine Reh-Schnauze in meiner Box gehabt. Naja zumindest fast. Das was bei der Aktion runtergefallen ist durfte es dann fressen, aber dann wurde es persönlich 😉 Ich hab glücklicherweise sehr schnell einen effektiven Weg gefunden sie los zu werden: Man muss sich seitlich gegen sie drücken. Also neben sie stellen und gegen die Rippen drücken. Von der Seite scheinen sie keine Kraft zu haben und müssen weichen. Macht man das lange genug dampfen sie ab *g* Wolfram hat an dem Spiel so viel Spaß gehabt, dass er es zu seinem lieblings Hobby in Nara erklärt hat. Das würde ihn an Sokoban erinnern. Wer schaft es 5 Rehe in eine Reihe zu schieben? 🙂

SangatsudoKasugaTaishaGesättigt, aber müde, ging es weiter zum Kasuga-Taisha, zur Abwechslung mal ein Schrein, der ebenfalls Weltkulturerbe ist. Auf dem weitläufigen Areal mit seinen vielen Nebenschreinen sind unzählige Steinlaternen aufgestellt. Die Gebäude sind in einem Zinoberrot gestrichen und haben ringsumverlaufende Gänge, in denen Bronzelaternen hängen. Sieht beeindruckend aus! Schaut euch die Fotos an 😉 Wir sind von hinten auf das Gelände gegangen, eigentlich kommt man von der Stadtseite aus durch das Ichino-torii auf das Gelände. Von dort aus werden es dann immer mehr Steinlaternen, je weiter man den Berg hinaufsteigt. Auch der umgebende Wald ist wirklich total schön.

Am unteren Ende war unsere Tour dann offiziell zuende. Die Sonne brante und wir durften uns selbst überlegen, wie wir den Rest des Tages verbringen. Wir haben uns dann erstmal zu einem See ganz in der Nähe durchgeschlagen. Total idyllisch. Kirschblüten, Wasser, ein Steg der auf den See führt und überall Rehe. Eins ist uns auch auf dem Steg begegnet. Sieht echt seltsam aus 🙂 Wolfram und ich haben spontan ein Liedchen angestimmt: „Da steht ein Reh auf der Brücke, ein echtes Reh auf der Brücke, das ist so nieeeeeedlich. Da steht ein Reh auf der Brücke, ein echtes Reh auf der Brücke – und schaut mich an.“ Wir hatten aber keine Futterwaffeln mehr, die man überall für einen Euro kaufen kann. Das sieht auch immer sehr lustig aus. Die Rehe stehen, wenn sie Hunger haben, wie beim Drive in rings um die Stände und warten darauf, dass jemand Waffeln kauft 🙂

Ich bin dann zusammen mit Wolfram Richtung Stadt getiergert. Mich interessierte eine Karte von Nara, die Till von der Touristeninformation hatte. Wir sind dann zufällig direkt auf der Sanjodori gelandet, der Haupteinkaufsstraße Naras. Sehr spannend. Diese durchgängige Beschallung mit Werbung auf der Straße finde ich doch sehr anstrenged! In Kameoka spielen sie wenigstens nur Musik… Also zur Veranschaulichung: An allen Straßenlaternen hängen Lautsprecher über die Musik oder eben Werbung gespielt wird. Dem kann man definitiv nicht entgehen…

Unterwegs haben wir uns mal kurz in einen Manga-Shop begeben. Toll 🙂 Also nicht mal die Manga-auswahl, davon hatte ich schon mehr gesehen, aber die hatten total viel Merchandising so wie ein großes Regal mit Manga-Zeichen-Zubehör (Stifte, Tusche, Rasterfolien, Papier, Durchpaus-Tabletts und weiß der Teufel was alles). Ich wäre ja fast in einen Shoppingrausch verfallen, habe mich aber stark zurück geholten. Ich hatte schon Briefpapier und einen Nara-Hello-Kitty-Händyanhänger gekauft *G*

Am Bahnhof angekommen haben wir erstmal Stadtpläne ergattert und dann festgestellt, dass der Zug von hier aus Preiswerter ist als der, den wir morgens genommen hatten. Wolfram ist auch direkt nach hause gefahren, ich habe mich erstmal vorm Bahnhof in die Sonne gesetzt und Karte bzw. Reiseführer studiert. Dann wurde aber schnell klar, dass es schon zu spät war um noch irgendwo hin zu gehen – hatte schon alles zu oder würde bald schließen. Das fanden meine Füße ganz toll, den meine Blasen von Dienstag waren nach dem ganzen Rumgelaufe natürlich noch alles andere als verheilt *aua-aua* Also bin ich auch in den nächstbesten Zug gestiegen.

Die Fahrt war ganz angenehm, aber als ich Ausstieg hatte ich erstmal das Gefühl in der falschen Stadt zu sein. Ich fahre ja täglich über den Bahnhof Kyoto zur Uni – aber in der Ecke war ich noch nie. Und auch nachdem ich ein ganzes Stück gelaufen war, vorbei an total lecker aussehenden Restaurants und Omiyage-Geschäften, hatte ich immer noch keine bekannte Ecke gesehen. Des Rätsel Lösung war, dass ich an einem anderen Teil des Bahnhofs angekommen war, nämlich nicht im JR-Teil sondern im Kintetsu-Bahnhof (andere Bahngesellschaft). Das verstehe ich zwar immernoch nicht, weil ich in Nara meiner Meinung nach in einen JR-Zug gestiegen bin, aber egal. Hauptsache wieder nach hause gefunden *puh*

Nara war auf jeden Fall toll. Schönes Wetter, tolle Sehenswürdigkeiten und die Stadt selbst fand ich auch sehr angenehm. Deutlich kompakter und weniger überlaufen als Kyoto. Da fahre ich bestimmt nochmal hin 🙂

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