15.6. Einladung der Stadt Kyotanabe

Das heutige Rahmenprogramm wurde von der Stadt Kyotanabe (südlich von Kyoto) gestiftet. Die Stadt lädt die Tübinger Austauschstundeten immer einmal in eine Grundschule der Stadt ein und veranstaltet dann am Nachmittag noch einen Ausflug irgendwo hin.

Wir wurden am Bahnhof von zwei Mitarbeitern der Stadt Kyotanabe abgeholt. Die brachten uns per Bus zu einer sehr laendlichen Grundschule. Erste Handlung: raus aus den Schuhen, rein in die Gästepantoffeln. In einem kleinen Konferenzzimmer wurde uns dann erstmal die Schulleitung und die Schule vorgestellt. Nach dem wir uns auch selbst vorstellen durften ging es in die Aula, in der 70 Erstklässler auf 10 Deutsche warteten 😉 Frau Oberwinkler durfte erstmal deutsche Begrüßungsfloskeln erklären, die die Kinder dann artig wiederholten (und in was für einer Lautstärke :).

Grundschule1Grundschule2Dann wurde jeder von uns einem Flohhaufen zugeteilt. Die schleppten uns händchenhaltend durch die Schule, um uns die wichtigsten Räume zu zeigen. Für jeden Raum war ein anderer Zwerg zuständig, der mich dann an der Hand nahm und vorsichtig die Führung übernahm *g* Meistens waren die Klassenkameraden dann irgendwann mit dem eingeschlagenen Weg nicht einverstanden, was zu dementsprechendem Gequäke führte 🙂 Vor jedem Raum wurde dann angehalten und mir ein passendes Schild in die Hand gedrückt. Da stand dann der Name des Raums auf Japanisch und Deutsch drauf. Ich sollte das Deutsche vorlesen, damit die Kids es wiederholen können. Da kamen auch so geniale Sachen bei vor, wie ‚Zubereiten Zimmer‘ (Schulküche).

Die Kids selbst waren aber eher scheu. auf fragen bekam ich gewöhnlich nur ängstliche Blicke zugeworfen 😉 Ich wurde dann wieder in der Aula abgeliefert, wo sich die Erstklässler von uns verabschiedeten.

Grundschule3Raus aus den Pantoffeln, rein in die Straßenschuhe. Vor der Aula warteten schon die Zweitklässler, um mit uns Jojo, Kreisel oder eine art Badminton zu spielen. Ich wurde erstmal zum Badmintonspielen abgeschleppt. Da das in der Aula stattfand musste ich mir also erstmal wieder die Schuhe ausziehen 😉 Die zwei waren aber total süß! Lästiger war da der Kameramann, der andauernd zwischen uns rumwuselte und Nahaufnahmen von verschwitzten Austauschschülern machte… Die Kids haben uns nämlich ganz schön gescheucht – anstrengend! 🙂

Dann gab es Mittagessen. Also wieder rein in die Schulpantoffeln und zurück in den Konferenzraum. Jeder von uns wurde von einer anderen Klasse abgeholt (gegessen wird in den Klassenzimmern). Die waren dann deutlich neugieriger und hilfsbereiter. Auch wenn ich ihre Fragen kaum verstand 😉 Ich saß im Krei mit 6 Zweitklässlern, die mich die ganze Zeit total neugierig beäugten und sich königlich darüber amüsierten, wenn sie mir helfen konnten 🙂 Ich bekam zum Beispiel meine Milchtüte nicht auf… Das Essen war nicht ganz so mein Fall, aber darum ging es ja auch nicht *g* Ich war eher erschüttert darüber, wie sauber die Kinder ihre Schüsseln leergegessen hatte. Ich hatte eigentlich gedacht sehr gründlich aufgegessen zu haben, aber im Vergleich zu den Schüsseln der Kinder war bei mir ja noch eine halbe Portion drin!

Nach dem Essen hatte ich direkt 4 Jungs neben mir stehen, die mich gleich nach draußen zum Spielen zogen. Also erstmal wieder raus aus den Pantoffeln, rein in die Straßenschuhe ^^ Die Kids haben sich fast darum gekloppt, was ich denn mit wem spielen soll 😉 Badminton mit den Jungs, Jojo oder Fadenspiele mit den Mädels. Sehr süß! Zumindest, wenn sie mich nicht gerade mit sensei (Lehrer) angesprochen haben 😉 Die Mädels waren auf jeden Fall total davon begeistert, wie gut ich mit ihrem Jojo umgehen konnte*g*

Wir sollten uns nach der Mittagspause dann wieder im Konferenzraum versammeln – Irgendwie hatte ich das anscheinend als einzige mitbekommen, denn die anderen mussten erst Ausgerufen werden 😉 Die ganzen Durchsagen waren sowieso sehr witzig. Alle paar Minuten ging wieder der Gong los und irgendwas wurde durchgesagt. Mal von Erwachsenen, mal von Kindern. Die Kinder haben, wenn ich das richtig verstanden habe, auch vorgestellt, was es zum Mittagessen geben würde. War sowieso niedlich, wie die Kleinen dann mit Hygienemasken und weißen Kittel versehen durchs Haus rannten um das Essen aus der Küche zu holen.

Japaner und ihre Masken… Masken, Handschuhe und Plastikverpackungen. Da stehen sie drauf – aber sonst habe ich nicht so wirklich den Eindruck, als ob sie sehr reinlich und hygienebewusst wären. Schon alleine diese warmen Toilettensitze… und Händewaschen tun sie sich eher selten. Kein Wunder, dass sich hier niemand die Hand gibt 😉 Unsereins wird ja schon fast schräg angeguckt, wenn man den Waschbeckenraum der Unitoiletten zum Händewaschen und nicht zum Schminken benutzt… Egal, zurück zum Thema 🙂

Grundschule4Im Konferenzraum durften wir dann ein Feedback geben, wie es uns denn gefallen habe und wir durften Fragen stellen. Na, lustig fanden wir es auf jeden Fall alle – trotz anfänglicher Panik „Wie? Wir sollen alleine mit 7-8 Kindern losziehen?!?“ Aber die waren schon ziemlich gut organisiert. Nach der Pause liefen auch alle artig selbständig zurück in die Klassenräume um erstmal die Schule zu putzen. Schon krass.
Ich wollte wissen, warum im ganzen Haus Wasserflaschen mitten im Gang herumstanden. Das ist „das Projekt des Monats“ Eine Verkehrserziehungsmaßnahme um die Kinder dazu zu bringen immer rechts außen zu gehen. Auf der Straße, aber eben auch auf den Gängen.

Danach wurden wir wieder in den Bus verfrachtet und nach Nara gefahren (warum uns die Stadt Kyotanabe nach Nara fährt ist mir allerdings nicht so wirklich klar geworden). Dort hatten wir einen Termin in einer Tuschemanufaktur. Und wieder einmal musste ich mich fragen, was Japaner eigentlich vor der Erfindung von Internet und Handy gemacht haben. Unsere „Reiseführer“ haben den Weg nämlich trotzdem Wegbeschreibung und kleiner Karte nicht gefunden und mussten erstmal dort anrufen. Aber irgendwann waren wir da und wurden erstmal darauf aufmerksam gemacht, dass der Boden sehr schmutzig ist und wir deswegen besonders vorsichtig beim Ausziehen der Schuhe sein sollten. Okay, waren wir. So sehr, dass sich gleich wieder jemand den Kopf gestoßen hat 🙂 Japanische Häuser sind einfach nicht für große Menschen gebaut.

Wir wurden in einen japanischen Raum geführt, in dem für jeden von uns Tuscheschreibplätze vorbereitet waren. Es gab zwei niedrige Tische auf denen Filzmatten und Schreibpapier lagen. In der Mitte jedes Tisches lagen jeweils ein Tusche-Reibstein, ein Wasserbehälter und ein Tuschestein. Der Meister erklärte uns dann, wie die Tusche richtig zubereitet wird und jeder von uns sollte selbst ein wenig Tusche reiben. Das machte mit einem so schönen Reibstein gleich noch mehr Spaß 🙂

tusche1Anschließend sollten wir unseren Namen in Hiragana schreiben. Das ist gar nicht so einfach, wenn man seinen Namen inzwischen ganz automatisch in Katakana schreibt! Deswegen sollten wir das glaube ich auch erstmal üben. Nach ein paar Schreibversuchen wurden Holzkistchen verteilt, auf die wir nun den Namen und das aktuelle Datum schreiben sollten. Gar nicht so einfach, wenn man das Schreiben mit Pinsel einfach nicht gewohnt ist, denn auf Holz verläuft die Tusche noch mal ganz anders. Auf die Rückseite schrieb der Meister dann den Namen des Familienbetriebs. Die haben übrigens auch eine Webseite *g* http://www5.ocn.ne.jp/~narazumi/

Dann wurde alles etwas umgebaut und die Arbeitsfläche für den Tuschemeister vorbereitet. Dazu gehörten eine Presse, zwei Pressformen, eine Rollplatte und ein Reiskocher *g* Ja, die moderne Technik hält halt doch Einzug in die traditionellen Handwerkskünste. Die benutzen Reiskocher um den vorgekochten Tuscheteig warm zu halten.

tusche2Aber zuerst wurde uns erklärt, was da überhaupt rein kommt: Als wichtigster Bestandteil natürlich Ruß und zwar entweder von verbranntem Pflanzenöl oder von verbrannten Splittern der japanischen Rotbuche (glaube ich? Auf jeden Fall von einem seltenen Baum). Das wird dann in gekochte Gelatine gerührt und mit Geruchsstoffen angereichert, weil die Gelatine so stinkt 😉 Heraus kommt ein ziemlich zäher Teig, der dann lange geknetet wird, um alle Lufteinschlüsse herauszuholen. Anschließend wird ein Stück abgewogen, noch mal kräftig gerollt und in eine Wurstform gebracht, die genauso lang ist, wie die Form, in die sie gelegt werden soll. Da sah man jahrelange Übung *puh* Ab in die Form und unter die Presse. So bleibt das dann 15 Minuten und wird anschließend vorsichtig herausgelöst. Fertig ist ein noch extrem wabbeliger Tuschestein, der dann sorgfältig verpackt wird und erstmal 6 Monate ruhen darf, bevor er bemalt wird und dann weitere mindestens 10 Jahre ruhen darf.

tusche3Wir sollten aber ganz besondere Steine kriegen – nämlich unsere ganz individuellen. Der Meister rollte wieder Würstchen, die uns dann in die Hand gelegt wurden um unsere Fingere hinein zu drücken. So wurde er dann sorgfältig in Tüchern eingewickelt in die beschriebenen Holzkistchen gelegt. Mit den eindringlichen Worten: Frühestens in 3 Monaten öffnen und frühestens in 6 Monaten damit Tusche herstellen! Schnüff! Soooo lange warten?!

Aber zum Trost gab es noch ein Geschenk: Jeder bekam einen 25 Jahre alten Tuschestein geschenkt. Schon toll! Ob ich in Deutschland wohl einen VHS-Kurs für japanische Kalligraphie kriege? Ich würde das ja schon gerne richtig lernen…

Ja, und dann ging es wieder zurück zum Bahnhof Shintanabe, wo wir noch ein kleines Abschiedgeschenk von der Stadt bekamen und wieder nach hause fuhren. Ein langer, aber auch sehr spannender Tag 🙂

3 Gedanken zu „15.6. Einladung der Stadt Kyotanabe

  1. Bei den Fotos nimmt man Dir die Kindergärtnerin bzw. Grundschullehrerin direkt ab … 😉

  2. Das hört sich schon ganz gut an. Dann kann unser „Hubertchen“ ja bald zu dir kommen, vielleicht um Japanisch zu lernen? 😉

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